25. April 2007

West-östlicher Divan

„Wer sich selbst und andere kennt,
Wird auch hier erkennen:
Orient und Okzident
Sind nicht mehr zu trennen.“

Nun, Goethe war offensichtlich nie in Austin. Hier sind Ost und West noch streng geschieden.

Östlich der Interstate 35 lebt ein buntes Völkchen in legeren Behausungen auf Grundstücken mit menschlichem Maß.



Gerne sitzt man vormittags in kleinen Gruppen auf Klappstühlen vor dem Haus, während die Kinder im Rinnstein tollen. Da ist ein Singen und Springen unbeschwert von allem irdischen Tand. Wer einer Arbeit nachgehen mag, widmet sich der Gartenarbeit (im Westen) oder sorgt dafür, dass Touristen bei ihrem Besuch saubere Straßen vorfinden.



Aus Verantwortungsgefühl verzichtet man weitgehend auf Klimaanlagen und Straßenbeleuchtung. Touristen, werden mit international verständlichen Gesten gebeten, ihre Kamera nicht auf die Bewohner zu richten und die empfohlene Richtgeschwindigkeit nicht zu unterschreiten.

Welche elendes Bild hingegen im Westen.
Einsam liegen die sterilen Siedlungsgettos tagsüber da, während die Bewohner gezwungen sind, ihre Tage in unterkühlten Glaskästen zu verbringen...



... während sich zuhause die Probleme türmen: regnet es, wuchert der Garten aufgrund der hohen Temperaturen wie ein Dschungel, scheint die Sonne, droht er zu vertrocken. Die allfällig nötigen Gärtner müssen durch Wachdienste kontrolliert werden. Doch wer kontrolliert die Wachdienste? Leider wird der Westen nicht so gut von Polizeistreifen gesichert wie der Osten. Um die allgegenwärtige Angst zu bekämpfen, brennen z.B. den ganzen Tag alle Straßenlaternen.

Da lediglich Doppelgaragen vorhanden sind, muss entweder der Pickup, der Geländewagen oder die Limousine dem vulgären Blick der Nachbarn preisgeben werden.



Touristen, die im Schritttempo durch die Siedlung fahren und versuchen, durch Diamantohrringe verursachten Haltungsschäden der Bewohner zu fotografieren, werden leider wenig geschätzt.

1 Kommentare:

Blogger Robert sagte...

Und was lernen wir aus diesem prima Beitrag?
Als Tourist bewegt man sich besser nur auf den Hauptverkehrsstraßen. Dort ist die Wahrscheinlichkeit, von Wachdiensten oder nervösen Polizisten für eine Zielscheibe gehalten zu werden wohl noch am geringsten. Es lebe die amerikanische Version von Freiheit 1.0! ;)

Viele Grüße an Deine Mutter, Thomas!

00:43

 

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